Um stressresistenter zu werden gibt es viele Tools, die helfen, die eigene Komfortzone zu vergrößern. Ob diese Praktiken ratsam sind und wie das mit dem Nervensystem zusammenhängt, erfährst du hier.
Podcast
Shownotes
Soll ich - um mein Nervensystem zu regulieren - wirklich meine Bedürfnisse immer sofort beachten, so dass mein Körper lernt, dass er bekommt, was er braucht?
Oder wäre es nicht besser, meinen Körper des Öfteren zu stressen und ihm bewusst physiologische Grundbedürfnisse zu verwehren (z.B. durch das Ausfallenlassen einer Mahlzeit), so dass er unsere Regeneration vorantreibt, um unser Überleben zu sichern?
Das ist eine Frage, die wir neulich per Email zu meinem 3-teiligen Video-Training "Die Neurobiologie echter Transformation" bekommen haben und die ich so spannend fand, dass ich darüber eine Podcast-Episode gemacht habe.
Das Ganze ist nämlich ein wenig komplexer und kann nicht nur mit Ja oder Nein beantwortet werden... und es zeigt auch eine größere Problematik auf, die bei ALLEN Empfehlungen, die wir irgendwoher (auch von mir!) bekommen.
In dieser Episode geht es deshalb darum, …
warum nicht die Methode an sich, sondern der Zustand deines Nervensystems entscheidend ist, wenn du stressresistenter werden willst
was das Toleranzfenster ist und was es mit deiner Stressresistenz zu tun hat
warum es so wichtig ist, das Nervensystem grundlegend zu regulieren
welche 3 Schritte für mehr Stressresistenz besonders wichtig sind
Weitere
Empfehlungen
Weitere Empfehlungen
Podcast-Episode 172: Das Toleranzfenster... Und wie Praxistools das Nervensystem schwächen
Podcast-Episode 175: Warum Nichtstun nicht die Lösung bei zu viel Stress ist
Podcast-Episode 179: Selbstverantwortung und das Henne-Ei-Dilemma der Nervensystemregulation
Podcast-Episode 183: Das Neuroembodied Healing® Framework: Weg zum authentischen Selbst
Podcast-Episode 196: 5 alltägliche Dinge, die zur Nervensystem-Dysregulation führen
Kostenloses 3-teiliges Video-Training: Die Neurobiologie echter Transformation
NeuroEmbodied Soul Centering® (NESC) Coaching-Ausbildung
Video-Version der Episode
Blog-Artikel zur Episode
Blog-Artikel
Stressresistenter werden
Warum die meisten Methoden zur Stressresistenz kontraproduktiv sind
Hast du das Gefühl, stressigen Situationen wie ein Fels in der Brandung zu trotzen? Frei nach dem Motto: “Komme, was wolle - mich bringt so schnell nichts aus der Ruhe…” Oder lässt du dich oft von Kleinigkeiten aus der Bahn werfen und fühlst dich nahezu permanent gestresst?
Wie gut du mit Stress umgehen kannst, hängt letztlich davon ab, wie stressresistent du bist. Während sich manche von einem Papierstapel auf dem Schreibtisch oder einer verpassten Bahn schnell gestresst fühlen, reagieren andere in solchen Situationen geradezu tiefenentspannt. Entweder, weil sie schon so auf die Welt gekommen sind (ja, Stressresistenz ist zum Teil angeboren) oder weil sie im Laufe ihres Lebens durch bestimmte Umstände und gezieltes Training gelernt haben, in stressigen Situationen gelassen zu bleiben.
Falls du nicht zu den Glücklichen gehörst, denen die Stressresistenz in den Genen liegt, habe ich eine gute Nachricht für dich: Stressresistenz kann - mithilfe verschiedener Methoden - trainiert werden. So können Situationen, die dich heute aus der Bahn werfen, dich (mit etwas Übung) in einigen Monaten schon nicht mehr aus dem Konzept bringen.
Dabei gibt es jedoch einen Haken: Die Methoden und Übungen, die zu diesem Thema durchs Internet kursieren, funktionieren nicht für alle Menschen. Sondern nur für diejenigen, die sich gerade an einem bestimmten Punkt auf der Stress-Skala befinden. Für alle anderen dagegen können die Techniken völlig kontraproduktiv sein - und die Stressresistenz (im schlimmsten Fall) sogar weiter verringern.
Woran das liegt, warum der Zustand des Nervensystems beim Thema “Stressresistenz” so entscheidend ist und was es wirklich braucht, um stressresistenter zu werden, erfährst du in diesem Artikel.
Warum viele Methoden zur Steigerung der Stressresistenz das Gegenteil bewirken…
Hast du im Internet schonmal nach Tipps gesucht, um stressresistenter zu werden?
Dann bist du sicher auf ein riesiges Angebot an Blogs, Posts, Podcasts & Co. gestoßen, in denen die verschiedensten Methoden angepriesen werden. Inhalte, die dem Leser vermitteln: Du musst Methode xy nur erfolgreich anwenden und schon steigt deine Stressresistenz. Und zwar ganz egal, wie gestresst du dich gerade fühlst und wie lange dieses Gefühl schon andauert.
Dass das nicht funktionieren kann, erkläre ich dir gerne anhand einer kurzen Metapher (falls du mich schon länger kennst, weißt du, wie sehr ich Metaphern liebe!):
Nehmen wir an, du möchtest zu Fuß nach Rom wandern. Du recherchierst im Internet, wie du am besten dorthin kommst. Und findest den Reisebericht einer Person, die vor einiger Zeit nach Rom gewandert ist und anderen Wandermutigen ihre Tipps mit auf den Weg geben möchte. Da ihre Reise in Sizilien begonnen hat, schreibt sie, dass man - um nach Rom zu kommen - ca. 600 km in Richtung Norden gehen muss.
Angenommen, auf diesen Artikel stößt nun eine Person, die in München lebt. Sie vertraut der Empfehlung und marschiert los - 600 km nordwärts. Und landet schließlich nicht im sonnigen Rom, sondern im verregneten Hamburg.
Was ich damit sagen möchte? Bestimmte Empfehlungen können dich von deinen Zielen entfernen, wenn sie nicht berücksichtigen, wo du gerade stehst. Und zwar ganz egal, wie genial und wirkungsvoll sie scheinbar sind und von welchem Experten sie stammen.
Dasselbe gilt auch für das Thema Stressresistenz: Ob es dir gelingt, deine Stressresistenz zu erhöhen, hängt vor allem davon ab, auf welchem Stresslevel du dich gerade befindest - und nur in den seltensten Fällen von der eigentlichen Methode.
Natürlich wird die Technik, die Max Mustermann in seinem Podcast seinen Zuhörern empfiehlt, für einige Menschen genau die Richtige sein. Für andere wiederum kann dieselbe Methode noch mehr Stress auslösen…
Für manche Personen, in Abhängigkeit vom Zustand ihres Nervensystems, ist es also durchaus sinnvoll, Methoden aus dem Internet direkt anzuwenden. Und diese Methoden werden ihnen auch tatsächlich helfen, belastbarer zu werden und ihre generelle Stresstoleranz zu erhöhen. Es kann aber auch sein, dass das Gegenteil der Fall ist.
Um das genauer zu erklären, lohnt sich ein Blick auf das Toleranzfenster.
Was das Toleranzfenster mit deiner Stressresistenz zu tun hat
Das Toleranzfenster (das du dir bildlich wie ein kleines Fenster vorstellen kannst) beschreibt den Bereich, in dem du die vielfältigen Situationen und Herausforderungen des Alltags entspannt bewältigst. Die Zone, in der sich dein Nervensystem selbst reguliert.
Innerhalb des Toleranzfensters gibt es Situationen, die dich wütend, traurig oder nachdenklich machen. Momente, in denen du dich langweilst. Dein Nervensystem findet jedoch ohne Tools und Strategien von allein zurück in die Balance, sodass es zu keiner Kampf- oder Fluchtreaktion kommt. In diesem Bereich hast du das Gefühl, Herr (bzw. Frau) deines Verhaltens zu sein.
Je nachdem, wie stressresistent du bist, ist dein Toleranzfenster größer oder kleiner. Ein großes Fenster bedeutet, dass du auf viele Situationen flexibel reagieren kannst. Dass du in der Lage bist, Umstände wahrzunehmen, ohne sie sofort beeinflussen zu wollen. Ein kleines Toleranzfenster dagegen steht dafür, dass du oft reaktiv bist, mit Stresssituationen weniger gut zurechtkommst und schneller aus deinen Fenstergrenzen herauskippst.
Dieses Herauskippen äußert sich in Form von Stresssymptomen. Sobald sich eine Situation ergibt, die außerhalb deines individuellen Toleranzfensters liegt, gerät dein Nervensystem aus der Balance. Du fühlst dich auf autonomer Nervensystem-Ebene nicht mehr sicher. Dein Nervensystem kommt - je nach Situation - in eine Über- oder Untererregung, die wiederum eine Über- bzw. Unterforderung auslöst, welche dein Nervensystem auf lange Sicht dysreguliert.
Um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen und in Zukunft möglichst gelassen auf die Herausforderung des Alltags reagieren zu können, ist eines der Hauptanliegen der Arbeit mit dem Nervensystem die Vergrößerung des Toleranzfensters - und damit einhergehend die Erhöhung der Stressresistenz.
Mit dem Ziel, dass Umstände, die dich aktuell stressen und aus dem Konzept bringen (weil sie außerhalb deiner Toleranzzone liegen), in einigen Monaten keine Stressreaktion mehr auslösen. Das gelingt, indem du bestimmte Stressresistenz-Methoden und Übungen anwendest.
Allerdings kannst du dein Toleranzfenster nur aus einem Gefühl der relativen Sicherheit heraus vergrößern. Wenn du also ohnehin schon gestresst bist und außerhalb deiner Toleranzgrenze lebst, kann jeder zusätzliche Stressor dramatisch wirken - und deine Stresstoleranz reduzieren, anstatt sie zu erhöhen.
Die meisten Menschen führen ein Leben im Dauerstress…
Wenn du also bereits überwiegend außerhalb deines Toleranzfensters lebst, wird jedes Tool, das deine Stressresistenz eigentlich erhöhen soll, bewirken, dass du dich weiter von deiner Toleranzzone entfernst. Mit der fatalen Folge, dass sich dein Toleranzfenster über die Zeit sogar verkleinert - und dich Situationen, die dich bisher nicht aus der Ruhe gebracht haben, plötzlich stressen.
Die Methoden und Übungen, die dafür gedacht sind, deine Stressresistenz zu erhöhen, wirken also nur dann, wenn du dich innerhalb deines Toleranzfensters befindest. Wenn dein Nervensystem reguliert ist und du das Gefühl hast, mit dem, was dir widerfährt, umgehen zu können.
Der Großteil unserer westlichen Gesellschaft befindet sich jedoch schon seit Jahren außerhalb der Toleranzzone. Dadurch sind viele Methoden, die grundsätzlich sinnvoll sind, als pauschale Empfehlung für die Mehrheit der Gesellschaft völlig ungeeignet.
Damit diese Techniken überhaupt erfolgreich wirken können, müssen wir uns zunächst wieder in unser Toleranzfenster hineinbewegen, um dieses von hier aus anschließend nach und nach auszudehnen.
Denn erst, wenn du dich wieder in deiner Toleranzzone befindest, kannst du darauf schauen, was es jetzt braucht, um dein Toleranzfenster (anhand verschiedener Methoden und Übungen) behutsam zu vergrößern.
3 Schritte, die zur Steigerung der Stressresistenz essentiell sind
Um wieder in dein Toleranzfenster zurückzufinden und dein Nervensystem zu regulieren, sind drei Schritte aus meinem NeuroEmbodied Healing® Framework notwendig: Reeducate, Reconnect und Restore.
REEDUCATE. Damit du wirklich nachvollziehen kannst, was in deinem Körper vor sich geht, besteht der erste Schritt darin, dir Wissen zu dem Thema anzueignen. Genau das hast du zum Beispiel mit dem Lesen dieses Blogartikels getan. Du weißt jetzt, was das Toleranzfenster ist, wie es funktioniert und warum es so wichtig ist, nicht einfach blindlings irgendwelche Stressresistenz-Methoden ausprobieren.
RECONNECT. Sobald du dir die Theorie angeeignet hast und die Vorgänge in deinem Körper besser verstehst, geht es im nächsten Schritt darum, eine Verbindung zu dir selbst herzustellen. Dich zu spüren. Im Hier und Jetzt präsent zu sein. Und dadurch herauszufinden, an welchem Punkt du dich gerade befindest: Bist du gestresst und musst erstmal in das Toleranzfenster zurückfinden? Oder bist du bereits in deiner Toleranzzone und kannst anfangen, diese mithilfe von Übungen auszudehnen?
RESTORE. Nachdem du die Verbindung zu dir hergestellt hast, steht im nächsten Schritt die Regeneration an. Anstatt dich sofort wieder zu pushen, solltest du dir Zeit nehmen, um aufzutanken. Denn gerade wenn du lange außerhalb deiner Toleranzzone gelebt hast (und so geht es wirklich vielen Menschen in unserer heutigen Gesellschaft), hast du in der Regel auch einen gewissen Tribut von deinem Körper gefordert. Nur, weil du jetzt wieder in deiner Toleranzzone bist, bedeutet es noch lange nicht, dass du sofort anfangen musst, diese auszudehnen. Nimm dir Zeit. Zeit, um zu regenerieren. Zeit, um anzukommen. Zeit, um wahrzunehmen, wie dein Körper auf diese Veränderung reagiert.